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VORTRAG

AKADEMIE DER GEDANKEN

10. April 2018, 18.00 Uhr kulturtankstelle, Dametzstraße 14, 4020 Linz

Lecture Performance mit Manuela Naveau, Nicolas Naveau und Genoveva Rückert „Sollte sich herausstellen, dass Erkennen und Denken nichts mehr miteinander zu tun haben, dass wir erheblich mehr erkennen und daher auch herstellen können, als wir denkend zu verstehen vermögen, so würden wir wirklich uns selbst gleichsam in die Falle gegangen sein, bzw. die Sklaven – zwar nicht, wie man gemeinhin glaubt, unserer Maschinen, aber – unseres eigenen Erkenntnisvermögens geworden sein, von allem Geist und allen guten Geistern verlassene Kreaturen, die sich hilflos jedem Apparat ausgeliefert sehen, den sie überhaupt nur herstellen können, ganz gleich wie verrückt oder wie mörderisch er sich auswirken möge.“
(Hannah Arendt, 1958) Inspiriert von Hannah Arendts Ausführungen zu Vita activa oder Vom tätigen Leben aus dem Jahre 1958 und beeindruckt von dessen Relevanz sechzig Jahre nach dessen Erscheinung sitzen wir an einer aufgelassenen Tankstelle und denken über das Tätigsein nach. Wir befinden uns an der Akademie der Gedanken, die vor allem ein Ziel hat: ein kritisches Denken in das Zentrum des Raumes zu setzen. Einen Raum zu schaffen, der Platz für Gedanken und ihre möglichen Ausformungen bietet. Ein Handlungsraum, der in Anlehnung an Hannah Arendts Aufruf zum öffentlichen Handeln einen Raum des Sozialen und des Politischen eröffnet und der sich im Diskurs formt. Schlicht: denn der Diskurs fehlt. In Zeiten von Künstlicher Intelligenz und Deep Learning, von Social Media und von Firmen gekauften Öffentlichkeiten, Bologna Reform und an Wissensmaximierung orientierten Bildungsangeboten, stellen wir jene Fragen: Welchen Platz und Stellenwert hat kritische Kompetenz und dessen Entwicklung? Wo sind die Orte, an denen nicht nur Wissen vermittelt wird, sondern auch eingehend und disziplinübergreifend reflektiert und weitergedacht werden kann? Sind wir nicht mit der Situation konfrontiert, dass konstruierte Erkenntnisse uns vorgaukeln, dass sie aus der Leistung unseres Denkens entspringen? Und würde das nicht heißen, dass wir – in den Worten Arendts – uns bereits in der Situation als Sklave unseres eigenen Erkenntnisvermögens befinden, oder - noch schlimmer - der ausgelagerten Erkenntnisse anderer ohne Fluchtmöglichkeit, ohne Werkzeuge oder entsprechender Ausstattung zum Ausbrechen ausgesetzt zu sein? Wo sind die Freiräume des Denkens, wenn Schulen und Universitäten händeringend kämpfen, überhaupt Wissen vermitteln zu können und das politische Rahmenwerk in Selfie-Manier an oberflächlichen Inszenierungen im Hier und Jetzt fokussiert, anstatt mit einem kritischem Fernrohr versucht der Zukunft ins Auge zu blicken? Die Academy of Thoughts denkt in ihrer ersten Season ausgehend vom Phänomen SPUTNIK weiter. Wir verlassen unseren Planeten und reflektieren kritisch mit allen Beteiligten die hoffnungsüberladene Eroberung ungeahnter Räume. SPUTNIK, der erste Satellit, der erfolgreich am 4. Oktober 1957 vom russischen Militär ins Weltall geschickt und der laut Arendt damals kaum bejubelt wurde, veränderte einiges: Überwachungswahnsinn oder neue Bilder und (Ein-) Sichten in unsere Welt? Die Erweiterung unserer Körper? Die Auslagerung unserer Sensorik und „Objektivierung“ unserer Welt, sowie aber auch die Gründung der NASA und damit das Wettrüsten im All. Heute, und damit 50 Jahre nach den ersten menschlichen Schritten am Mond, ist es Zeit, den Blick zurück auf den blauen Planeten zu richten und die radikale Ausweitung des Raums seit SPUTNIK gemeinsam zu überdenken. Viel lastet heute auf den Schultern des mit 58 cm Durchmessern großen Satelliten. Gemeinsam versuchen wir seine Relevanz zu verstehen. (Text: Manuela Naveau, Genoveva Rückert) Academy of Thoughts “If it should turn out to be true that knowledge (in the modern sense of know-how) and thought have parted company for good, then we would indeed become the helpless slaves, not so much of our machines but of our know-how, thoughtless creatures at the mercy of every gadget which is technically possible, no matter how murderous it is.” (Hannah Arendt, 1958) Inspired by Hannah Arendt’s elaborations on the vita activa in her 1958 book “The Human Condition” and impressed by their ongoing relevance 60 years after the work’s publication, we’re stopped at an abandoned gas station thinking about what it means to live the active life. We find ourselves enrolled in the Academy of Thoughts, the primary mission of which is to establish critical thinking as the big idea pervading these premises; to create a space that offers room for thoughts and their possible formulations; a setting for activity that, in response to Hannah Arendt’s call to action in the public sphere, opens up a space for social and political activism, and takes shape as the outcome of a discourse. But the thing is—there is no discourse. In times of artificial intelligence and deep learning, of social media and public spheres owned by private firms, Bologna Reform and educational offerings oriented on knowledge maximization, we pose the question: What place and value do critical competence and its nurturance have? Where are the places at which knowledge is not only imparted; where there’s also an in-depth, interdisciplinary process of reflecting upon it and thinking it all the way through? Aren’t we now confronted with a situation in which engineered insights would lead us to believe that they arise from things we’ve thought ourselves? And wouldn’t that mean that we, in Arendt’s words, already find ourselves in the situation of slaves of our own cognitive faculties or, even worse, the propagated insights of others, and we—with no possibility of escape, lacking tools or equipment suited to the task of breaking out—are at their mercy? Where are the spaces conducive to freedom of thought when schools and universities imploringly struggle to even be able to convey knowledge, and the political framework focuses efforts on superficial depictions of the here-and-now snapped like a selfie, instead of on endeavoring to use a critical telescope to look the future straight in the eye? In its first season, the Academy of Thoughts has proceeded from the Sputnik phenomenon to take ideas to the next level. We take leave of our planet and, together with all participants, reflect critically on the hope-suffused conquest of undreamt-of spaces. Sputnik, the first satellite successfully launched into outer space by the Russian military on October 4, 1957 and, according to Arendt, hardly celebrated at the time, initiated some significant changes: Surveillance mania or new views of—and insights into—our world? The extension of our bodies? On one hand, the outsourcing of our sensory faculties and the “objectification” of our world; on the other hand, the founding of NASA and the outbreak of an arms race in space. Today, almost half a century after a human being first walked on the Moon, it’s time to take a retrospective look at the Blue Planet and jointly reconsider the radical expansion of space since Sputnik. So there’s quite a heavy load being transported now by this satellite measuring only 58 cm in diameter. We’re making a joint effort to understand its relevance. (Text by: Manuela Naveau, Genoveva Rückert)
(Translation by: Mel Greenwald)